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Nachts Trockenwerden

Nachts Trockenwerden

Das Trockenwerden ist ein langer Prozess, der von Kind zu Kind ganz unterschiedlich abläuft. Eine Frage, die mich in meinem Beratungsalltag sehr häufig erreicht ist diese hier: Wie kann ich mein Kind dabei unterstützen nachts trocken zu werden?

Lernfenster

Das Lernfenster zum nachts Trockenwerden öffnet sich für windelfrei erzogene Kinder meist sehr früh mit ca. 1 Jahr und kommt sogar noch vor dem Trockenwerden am Tag. Kinder die nicht abgehalten wurden, treten die Trockenwerden Reise in der Regel zuerst am Tag an, bevor sich dann das Lernfenster zum nächtlichen Trockenwerden ab ca. 4 Jahren öffnet. Diese Altersangaben gelten jedoch nicht pauschal, sie sind vielmehr ein grober Durchschnitt. Es ist auch möglich den Tag und die Nacht gleichzeitig anzugehen.

Die Nacht ist zum Schlafen da

Die Frage: „Wie kann ich mein Kind dabei unterstützen nachts trocken zu werden?“ stellen meistens Eltern, deren Kinder tagsüber bereits zuverlässig trocken sind. Nur eben in der Nacht klappt es noch nicht. Jetzt ist es allerdings so, dass die Nacht zum Schlafen da ist. Im Schlaf verarbeitet das Gehirn das am Tag Erlernte. Hier ist kein Platz für Übungsaufgaben, geübt wird lediglich am Tag. Meine erste Frage lautet daher immer: wann scheidet dein Kind nachts aus?

Hintergrundwissen

Nachts produziert unser Körper das Hormon ADH = antidiuretisches Hormon. Dieses Hormon drosselt unsere Nierenfunktion, die „Blutwäsche“ wird gebremst und es entsteht weniger Harn. Dadurch müssen wir nachts weniger oft auf die Toilette und können ohne Harndrang durchschlafen. Die Konzentration des ADHs erreicht zwischen 22 und 24 Uhr ihren Höchststand und sinkt gegen 4 und 6 Uhr wieder. In den frühen Morgenstunden kompensieren die Nieren dann mit einer erhöhten Aktivität die nächtliche Pause. Es wird vermehrt Harn produziert. Dies ist auch der Grund warum wir bis zum Mittag meist häufiger auf die Toilette müssen oder mehr Harn ausscheiden als am Nachmittag.

In den frühen Morgenstunden

Scheidet dein Kind in den frühen Morgenstunden aus, so hat der Nierenturbo bereits gestartet. Du wirst hier sehr wahrscheinlich beobachten können, dass dein Kind unruhig wird, sich im Bett hin- und herwälzt. Aus meiner Erfahrung heraus, können die meisten (schlaftrunkenen) Kinder den Harndruck dann jedoch noch nicht richtig einordnen. Sie schlafen weiter, die Blase entleert sich, wenn sie die Harnmenge nicht mehr halten kann, ungeachtet dem Fakt, dass das Kind noch im Bett liegt. Hier kann ich als Elternteil unterstützen, indem ich mein Kind beobachte und es sanft wecke, sobald ich merke, dass es unruhig wird. Dies setzt lediglich heraus, dass das Kind im oder in der Nähe des Elternbetts schläft. Ein Töpfchen in Bettnähe hilft zudem, den morgendlichen Toilettengang so schnell wie möglich zu erledigen. Eventuell habe ich sogar die Chance, dass mein Kind danach wieder ins Bett geht und weiter schläft. Das liegt immer ganz am Kind und der gewählten Kommunikation.

Vor Mitternacht

Wenn dein Kind nun aber vor Mitternacht vermehrt ausscheiden muss, liegt das meist daran, dass es in den Abendstunden vermehrt trinkt. Diese erhöhte Flüssigkeitszufuhr führt dazu, dass die Nieren abends noch auf Hochtouren arbeiten müssen, der Körper möchte noch vor dem Tiefschlaf alles überschüssige Wasser loswerden. Wahrscheinlich kannst du beobachten, dass dein Kind eher unruhig schläft in den ersten paar Schlafstunden. Ein möglicher Gamechanger ist hierbei die Umverteilung der Trinkmenge auf den gesamten Tag.

Trinkmenge

Trinkverhalten

Wie animiere ich mein Kind nun aber dazu mit Freude mehr oder über den Tag verteilt zu trinken ohne ein abendliches Trinkverbot zu erteilen? Hier findest du einige Ideen, wie du deinem Kind das Trinken schmackhaft machen kannst und die Trinkmenge im Auge behalten kannst:

Die 7-Becher-Regel

Du teilst die Gesamttagestrinkmenge auf 7 Becher aufteilen. 3 davon trinkt dein Kind bis zum Mittag, 1 Becher am Mittag, 2 Becher bis am Abend und den letzten Becher am Abend. Wichtig: Das Verteilen der Trinkmenge auf den gesamten Tag hat nichts mit einem Trinkverbot am Abend zu tun. Wenn dein Kind abends 2 Becher trinkt anstatt am Nachmittag so ist das natürlich auch völlig in Ordnung. Wichtig ist, dass mehr als 2/3 der Flüssigkeit über den gesamten Tageszeitraum verteilt aufgenommen werden. Alternativ kannst du die Trinkemenge auch nach dem Schema 40-40-20 aufteilen.

Sichtbarkeit

Stelle die Tagestrinkmenge gut sichtbar für dein Kind auf und achte darauf, dass dein Kind ohne deine Hilfe Zugang dazu hat.

Standardsituationen

Etabliere eine gewisse Trinkmenge in Standardsituationen, z.B. 1 Becher bei jeder Mahlzeit. Wichtig hierbei ist, dass die gesamte Familie mitmacht. Alle Familienmitglieder trinken dann mindestens diese festgelegte Menge. Hierbei übernehmen die anderen Familienmitgleider eine Vorbildfunktion, was es deinem Kind einfacher macht die Trinkmenge zu bewältigen.

Geschmäcker sind verschieden

Die Empfehlung vor allem Wasser zu trinken, gilt natürlich auch hier. Nicht jedes Kind ist jedoch ein leidenschaftlicher Wassertrinker. Verdünnte Fruchtsäfte oder ungezuckerte Tees sind eine tolle Alternative, um Geschmack ins Wasser zu bringen. Auch Kräuter oder Beigaben wie Minze und Zitrone oder prickelndes Wasser mit Kohlensäure machen das Trinken spannend(er). Wenn dein Kind dennoch mal Lust auf Limonade hat, lässt sich auch dies einbauen. Ich empfehle immer auch diese mit Wasser zu verdünnen und lediglich 1x am Tag anzubieten, z.B. zum Apéro.

Let’s have fun

Ein einfacher Becher Wasser, klingt jetzt nicht nach besonders viel Spass. Bunte Becher und Flaschen, ein Strohhalm oder Sticker auf dem Wasserkrug sind da schon spannender. Erlaubt ist, was dir und deinem Kind gefällt, hauptsache es macht Spass.

Flüssig oder fest, das ist hier die Frage

Gerade im Sommer kann auch ein Wasserglacé helfen die Trinkmenge zu erhöhen, am besten sind selbstgemachte Glacén aus verdünntem Fruchtsaft. Eisförmchen erhältst du während der Saison in jedem Supermarkt. Eine tolle Alternative sind auch bunte Eiswürfel z.B. aus Fruchtsaft, Tee oder mit Lebensmittelfarbe gefärbtes Wasser.

Ja aber, wie geht das denn jetzt mit dem nachts Trockenwerden? Wie starten wir?

An dieser Stelle möchte ich noch einmal wiederholen: die Nacht ist zum Schlafen da, das ist die oberste Prämisse. Aber, wenn alle Rahmenbedingungen stimmen, du genau weisst wann dein Kind nachts  ausscheidet und die Trinkmenge am Abend nicht der Auslöser für das nächtliche Einnässen ist, habe ich hier einen kleinen Fahrplan für dich. Ich persönlich würde immer erst das Trockenwerden am Tag angehen, aber in Fachkreisen gibt es auch die Meinung Tag und Nacht gleichzeitig anzugehen, sei die beste Lösung. Egal wie du es machst, stell dich darauf ein, dass du Bettwäsche wechseln wirst und dass du ein paar Tage etwas weniger Schlaf bekommen wirst.

Umgebungsgestaltung

Zunächst einmal ist die Umgebungsgestaltung das A&O. Macht es euch (den Eltern und dem Kind) nachts so einfach und bequem wie möglich. Hierzu gehören folgende Punkte:

  • ein zuverlässiger Matratzenschutz – nasse Matratzen machen echt keinen Spass oder
  • ein Windelrock (den kannst du deinem Kind gegenüber trockenes-Bett-Rock nennen, dann kommt das Wort Windel gar nicht mehr „mit ins Bett“ 🙂 )
  • Kleidung, die schnell ausgezogen werden kann – eher 2-Teiler als 1-Teiler oder gar keine Kleidung. Je weniger ein Windelgefühl aufkommt, desto besser (oder eben ein Windelrock).
  • ein bettnahes Sitz-Töpfchen – meist ist der Weg zum Bad zu weit oder das Bad zu kalt

In 4 Schritten zum trockenen Bett

1. Schritt: Erklären was geschehen wird
Erkläre deinem Kind, dass dies die erste Nacht ohne Windel sein wird. Wenn es nachts wach wird vom Harndruck (erkläre am besten schon in den Tagen zuvor wie sich das anfühlt), soll es aufs Töpfchen gehen (schaut zusammen wo es steht, wie man es benutzt und stellt sicher, dass genügend Licht vorhanden ist) oder nach dir rufen. Was genau du deinem Kind erklärst bleibt natürlich dir überlassen, du kannst am besten einschätzen wie viele Informationen dein Kind braucht und ob es dich nachts als Unterstützung braucht für den Toilettengang.

2. Schritt: Blase entleeren vor dem Schlafengehen
Aber wir gehen doch schon während der Ins-Bett-Geh-Rotuine standardmässig aufs WC – denkst du dir jetzt vielleicht. Ja, das glaube ich dir. Viele Kinder können die Blase aber nicht ganz entleeren, für diesen Restharn geht es direkt vor dem Licht ausmachen nochmal aufs WC. Somit kommt ihr auf 2 WC Besuche vor dem Schlafen, das Wir-starten-die-ins-Bett-geh-Routine-Bisi und das Licht-aus-mach-Bisi.

3. Schritt: ohne Windel ins Bett
Dein Kind wird in der ersten Nacht ohne Windel sehr wahrscheinlich ins Bett machen. Dieses erste nasse Bett hat einen gewissen Lerncharakter, dein Kind lernt, nachts pinkeln ergibt ein nasses Bett. Ganz wichtig hierbei ist es, dass du dein Kind in dieser Nacht besonders eng begleitest. Erkläre was geschehen ist, tröste gegebenenfalls, ziehe deinem Kind frische Sachen an, beziehe das Bett kommentarlos neu, geht nochmal gemeinsam aufs WC (komm wir schauen ob wirklich alles Bisi im Bett gelandet ist oder ob noch Bisi in der Blase ist) und erkläre, dass ihr es beim nächsten Bisi wieder versuchen werdet aufs Töpfchen / WC zu gehen. Dann geht ihr wieder ins Bett und schlaft weiter.

4. Schritt: morgens muss es schnell gehen
Zwischen ca. 4 und 6 Uhr sinkt die Hormonproduktion des ADH, d.h. die Nieren beginnen in den frühen Morgenstunden wieder Harn zu produzieren. Wenn dein Kind also aufwacht oder der Schlaf unruhig wird heisst es raus aus dem Bett, sobald dein Kind die ersten Wach-Anzeichen zeigt und dann ab aufs Töpfchen. Für die geliebte Kuschelzeit mit Mama und Papa, darf man dann nach dem Klogang wieder ins warme Bettchen zurück schlüpfen 😉

Pro-Tipp: Wenn du nachts merkst, dass dein Kind sehr unruhig ist, kannst du ihm auch ins Ohr flüstern: Ich glaube du musst mal, komm ich helfe dir dabei aufs Töpfchen zu gehen, danach gehen wir wieder zurück ins Bett und du kannst weiterschlafen. Dieses Vorgehen ist ein Zwischenschritt, wenn dein Kind noch nicht selbst vom Harndrang aufwacht. Das langfristige Ziel ist aber, dass dein Kind selber bemerkt, dass es pinkeln muss. Hierfür lohnt es sich die Körperinnenwahrnehmung am Tag verstärkt zu üben.

Ich hoffe diese Tipps unterstützen euch beim Thema nachts Trockenwerden. Wenn es dennoch nicht so gut läuft oder du wissen möchtest wie Trockenwerden tagsüber funktionieren kann oder wie ihr es schafft, dass das Gagi machen auch ohne Windel klappt, empfehle ich dir mein Beratungsangebot und meine online Kurse zum Thema Trockenwerden. Der Fokus meiner Beratung liegt dabei immer auf bedürfnis- und bindungsorientierter Kommunikation gepaart mit wertvollem Backgroundwissen zur psychologischen und physiologischen Entwicklung und ganz viel Spiel und Spass für dein Kind. Ich freue mich darauf, dich und deine Familie auf eurer spannenden Reise zu begleiten 🙂

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